e-Mobilität – nur Zukunftsvision oder alltagstauglich??

KIA Soul EV

22. November 2015

In unserer Zeitung SPD PENZBERG AKTUELL findet sich auf Seite 3 ein Artikel des Ortsvorsitzenden Markus Kleinen zur eMobilität. Hier finden Sie den Artikel in ungekürzter Version...

eMobilität – Zukunftsvision oder alltagstauglich??

„Hast Du immer ein langes Kabel dabei?“
„Wie weit kannst Du damit fahren?“
„Die hört man ja gar nicht, das ist doch gefährlich!“
„Und was ist, wenn die Batterie leer ist?“

Diese und viele andere Fragen werden einem gestellt, wenn man ein Elektro-Auto fährt. Das Interesse ist groß, die Anzahl der Elektroautos aber ist – in Deutschland - immer noch sehr gering - derzeit ca. 1 Promille aller zugelassenen Autos. Woran liegt das?
Anfang 2015 war ich auf der Suche nach einem neuen Auto – alltagstauglich, ausreichend Reichweite (ich pendle nach München), komfortabel und umweltschonend. Gerade der letzte Aspekt war für mich sehr wesentlich bei der Entscheidung. Nachdem ich 7 Jahre ein Auto mit Flüssiggas-Antrieb gefahren bin, trieb mich die Frage um, wo die Autos 2015 stehen, ob neue, alternative, umweltschonendere Antriebskonzepte schon alltagstauglich sind?
Schnell war klar, dass neben den klassischen Verbrenner-Motoren mit Benzin, Diesel, Flüssiggas oder Erdgas derzeit nur Hybrid-Autos (Verbrenner mit unterstützendem Elektromotor) und reine Elektroautos Alternativen darstellen. Hybrid-Autos kamen für mich nicht in Frage, da dieser meiner Meinung nach nur ein grünes Deckmäntelchen der Autohersteller sind. Also ein reines Elektroauto… Das Angebot ist überschaubar, derzeit bieten 12 Hersteller 20 Modelle an, die Preise gehen von 17.850,- bis 416.500,- €. Das ist auch schon der erste Grund, warum die Alternative e-Auto nicht in Schwung kommt: Die Preise sind zu hoch, z.B. kostet der e-Golf kostet gut 10.000,- € mehr wie das vergleichbare Modell mit Verbrennermotor.
Dabei stellt sich die Frage, ob die Verkaufspreise der Hersteller gerechtfertigt sind? Die notwendigen Batterien sind derzeit noch teuer, aufgrund der Verkaufszahlen kann von kostensparender Massenproduktion noch keine Rede sein. Aber ist denn überhaupt der Wille da, e-Mobilität voranzutreiben? Ganz ehrlich, viele Hersteller vermitteln einen gegenteiligen Eindruck. Beispiel Volkswagen: Der Versuch einen Volkwagen e-up! für eine Probefahrt zu erhalten zeigte die Einstellung des Konzerns: Der erste Händler sagte mir, er hätte keine Elektroautos im Angebot, denn er müsse dafür bezahlen sie im Autohaus zu haben. Der zweite Händler konnte mir nach 5 Wochen einen Wagen zur Verfügung stellen, aber der war ausgeliehen von einer großen Autovermietung! Der koreanische Hersteller KIA hat nur eine ausgewählte Anzahl von Händlern in Deutschland, die den KIA Soul EV anbieten, hier hängt es vor allem am Engagement des Händlers. BMW hat mit dem BMW i3 sicherlich derzeit das e-Auto, das am konsequentesten als e-Automobil entwickelt wurde. Aber hier stimmen Preis und Leistung nicht überein. Die Marketing-Abteilung von BMW sagt dazu: „Der i3 ist das Top-Modell in der 3er-Klasse, das erklärt den Preis“!?
Aber auch die Politik glänzt nicht durch Taten, um das Ziel zu erreichen, bis 2020 eine Million Elektro-Autos auf den deutschen Straßen fahren zu sehen, fehlt jegliche staatliche Unterstützung. Derzeit gibt es keinerlei Investitions-Zuschüsse oder andere Förderungen, nur halbherzige Aktionen wie die 10-jährige Steuerbefreiung für e-Autos oder das neue e-Kennzeichen. Eine Steuerersparnis von 54,- € im Jahr überzeugt wohl niemanden, sich eine Elektro-Auto zu kaufen. Warum nicht eine Abwrackprämie für Verbrenner-Autos ? Liegt es möglicherweise daran, dass die deutschen Automobil-Hersteller nicht gerade führend bei Elektroautos sind? Hat man Angst vor der Konkurrenz, Angst davor das die Industrienation Deutschland in einer Zukunftstechnologie den Anschluss verliert?
Letztlich habe ich mich aber doch für in Elektroauto entschieden. Das Fahren wird einem derzeit aber nicht leicht gemacht, d.h. das Fahren schon, aber das Aufladen der Akkus nicht. Beileibe nicht jeder hat die Möglichkeit in der eigenen Garage das Auto zu laden. Das Elektro-Auto als optimales Verkehrsmittel in der Stadt braucht Lademöglichkeiten an jeder Straßenecke, am besten an jeden Sraßenlaterne, derzeit ist das e-Auto perfekt für Pendler: Nachts aufladen, mit einer Akkufüllung in die Stadt und wieder zurück, am besten noch einen Arbeitgeber, der Ladestationen zum Aufladen anbietet.
Wer unterwegs laden will oder muss plagt sich nicht nur mit fehlenden Stationen, sondern auch mit derzeit 5 verschiedenen Steckertypen und unzähligen unterschiedlichen Bezahlsystemen. Bei mei-nem KIA Soul EV war serienmäßig ein (Not-)Ladekabel zum Aufladen an der normalen Haushalts-steckdos dabei, das dauert ca. 10 Stunden. Dazu habe ich mir ein Ladekabel gekauft (850,- €) mit dem ich an Starkstromsteckdosen in 3 Stunden aufladen kann. Mit gleichen Geschwindigkeit kann ich mit meinem sog. Typ 2-Ladekabel laden (350,- €) an öffentlichen Ladestationen unterwegs laden. Für öffentliche Schnell-Ladestationen (vollgeladen in ca. 30 Minuten) braucht man glücklicherweise kein Kabel, das hängt an der Station. Aber mit meinem Koreaner (CHAdeMO-Stecker) kann ich nicht an Schnell-Ladestationen laden, die mit dem europäischen Ladestecker CCS ausgestattet sind.
Und wie bezahlt man? Ist doch ganz einfach heute, EC-Karte, SMS-Payment,.....! Weit gefehlt! Fast alle Ladesäulenbetreiber verlangt eine Karte mit RFID-Chip zur Identifikation, jeder bastelt sich seine eigene Karte, die sich der E-Auto-Fahrer vorher beim Betreiber bestellen muss. Glücklicherweise haben sich inzwischen sog. Ladeverbünde gegründet, die ihre Karten gegenseitig akzeptieren. Eine lustige Geschichte dazu der Stadtwerke München. Auf deren Internetseite findet man eine email-Adresse bei der man die Karte bestellen kann. Nach einer Woche (!) kam der Rückruf, ich müßte die Karte persönlich in der Zentrale der Stadtwerke München abholen. Als ich an einem Donnerstag um 16 Uhr dort aufschlug, meinte der freundliche Herr im Service(!)-Center: "Nein, diese Karte stellen die Kollegen aus, die sind aber schon nicht mehr da!". Letztlich habe ich eine Karte der EWE AG aus Norddeutschland im Internet bestellt, die war nach zwei Tagen per Post da. EWE und die Stadtwerke München gehören dem gleichen Ladeverbund an. Derzeit habe ich für das öffentliche Laden nur im Großraum München vier verschiedene Ladekarten! Letztlich muss ich also, um öffentlich zu tanken mich vorher informieren, wo auf meiner Strecke Ladesäulen sind, ob einer meiner beiden Ladestecker passt, und ob ich eine passende Ladekarte besitze! Ganz ehrlich, nach politischen Willen, die eMobilität zu fördern sieht das nicht aus!
Großes Thema ist die sogenannte Reichweitenangst. Ja, mit elektrischen Autos komme ich derzeit nicht so weit wie mit konventionell angetriebenen Autos, längere Touren müssen sorgfältig geplant werden. Aber mit einer realistischen Reichweite von 150-170 km mit dem KIA Soul EV erreiche für den allergrößten Teil meiner Fahrten mein Ziel ohne Nachzuladen. Mit einer ordentlich ausgebauten Infrastruktur und / oder leistungsfähigeren Akkus wird die Reichweite bald kein Hinderungsgrund mehr sein. Und ganz ehrlich, liegen bleiben kann ich nicht wirklich, Strom gibt’s es im ganzen Land, Steckdosen viel mehr als Tankstellen! Notfalls muss ich beim freundlichen Cafe-Besitzer an der normalen Steckdose mit dem (Not-)Ladekabel nachladen!
Allen Hindernissen zum Trotz: Nach jetzt 5.000 km elektrischer Mobilität bin ich absolut begeistert und zu 100% überzeugt, dass das die Zukunft ist!

e-Auto fahren macht wirklich Spaß:

  • Ruhe, nichts als Ruhe, die das Fahren sehr entspannend macht.
  • Eine gleichmäßige, rasante Beschleunigung, auch mal einen verdutzten Verbrenner an der Ampel links liegen läßt.
  • Das gute Gefühl, emissionsfrei und geräuschlos zu fahren, etwas für die Umwelt und die Menschen zu tun.
  • Und die große Freude gar nicht mehr an die Tankstelle fahren zu müssen (außer für Luft in die Reifen).

Markus Kleinen, Oktober 2015

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